2.
Als ich den Tanzsaal verlassen hatte, streifte ich eine Weile ziellos umher und hielt die schmachvolle Flasche unter dem Mantel versteckt. Ich weiß noch, dass der Whisky ein Whyte & Mackay war. Ich setzte mich zu Füßen der Statue der Highland Mary, von wo ich mir die Lichter der Schiffe zu beiden Seiten der Hafensperre ansah, die über den Clyde verlief. Ich nuckelte an der Flasche wie ein Baby an der Brust, sah mir dabei das vom Mond angestrahlte Zifferblatt der Uhr auf dem Pierhaus an und warf den Paaren eifersüchtige Blicke zu, die Arm in Arm aus dem Pavilion kamen.
In meinen frühen Jahren beim Met Office hatte ich hin und wieder eine Freundin gehabt, aber es war nie etwas Ernstes daraus geworden - das übliche Händchenhalten im Kino und Küsse und immer kühnere Vorstöße, aber irgendwie ging es dann jedes Mal in die Brüche. Einer der Gründe war wohl, dass ich mich immer um bessergestellte Frauen oder Künstlerinnen bemühte, die von meinem Alltag so weit entfernt waren, wie es nur ging, was sie gerade deshalb so begehrenswert machte. Die meisten sagten schließlich, ich sei ihnen zu besessen, was mir seltsam vorkam, da ich der Ansicht war, dass Frauen es eigentlich attraktiv finden müssten, wenn jemand sympathisch-akademisch vor sich hin schwafelte. Selbst dieses Geschwafel machte ich ihnen nur vor: Seit dem Tod meiner Eltern lebte ich emotional völlig eingeigelt.
Auf jeden Fall sah es wohl so aus, dass ich mit Frauen nicht umgehen konnte. Es war aber auch nicht so, dass ich gar keinen Verkehr hatte. Ich nahm, was ich kriegen konnte (zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich meine Unschuld bei einer Affäre mit der Hausherrin der Pension verlor, in der ich während meiner Ausbildung in Dunstable wohnte), aber die große Leidenschaft war mir damals fremd. Auch wenn die Hausherrin vor Lust schrie, blieb mir der Moment selbst unbefriedigend. Am besten erinnere ich mich an die kirschfarbenen Gardinen des Zimmers. Hinterher sagte sie: »So, jetzt hast du's hinter dir.« Oder vielleicht: »Ist ja gut, jetzt hast du's hinter dir.« Man sollte eigentlich annehmen, dass sich einem solche Momente besser einprägen, aber im Laufe der Zeit wird es anscheinend immer schwerer, einzelne Dinge aus dem Fluss zu fischen.
Vielleicht - an diesen Gedanken erinnere ich mich noch genau - lag das Problem darin, dass ich in das Wetter verliebt war. Die meisten Leute plaudern bei der Begrüßung darüber, aber ich musste es immer ganz genau wissen. Es gab doch bestimmt noch andere wie mich. Vielleicht, dachte ich beim nächsten Schluck, musste ich nur eine Frau finden, die mir in dieser Hinsicht glich.
Musikfetzen schwebten wie Rauchschwaden vom Pavilion zu mir her, krochen mir in die Ohren und mischten sich mit dem Geräusch der Wellen, die gegen die Pfähle des Piers schlugen, von dem ein starker Schwerölgeruch aufstieg. Ich hatte das Gefühl, ankerlos und vom Scheitern verfolgt umherzutreiben.
In meinen Crombie Coat gehüllt, ließ ich mich rückwärts ins Gras sinken und starrte die Frau über mir an. Die 1896 errichtete Statue war ein Denkmal für Mary Campbell, eine Einheimische, die als tragische, gescheiterte Liebe des Dichters Robert Burns bekannt geworden war. Obwohl Burns bereits verheiratet war und seine Frau Zwillinge erwartete, schworen Mary und er sich am Ufer des Ayr ewige Liebe und tauschten über fließendem Wasser Bibeln aus. Das soll eine schottische Tradition sein (solange der Fluss fließt und die Bibel wahr ist, hält die Liebe), aber es war alles vergebens, denn Mary starb bald an einem Fieber. Es war also irgendwie passend, dass ich hier unter dieser drei Meter zwanzig hohen Verkörperung zum Scheitern verurteilter Liebe, die ein Jahr nach ihrer Errichtung mit einem Zaun gegen Vandalismus geschützt worden war, über einige Stunden die Whiskyflasche leerte und mich ins Koma soff.